Unterwegs in Music City – Eine Woche in Nashville / Tennessee (Part I)

Eigentlich habe ich mich nie besonders für „Country Music“ interessiert. Zugegeben, das ist jetzt ein ziemlich unpassender Einstieg in einen Beitrag, der davon handelt, dass ich mich im Sommer 2018 eine Woche lang just in der „Hauptstadt“ eben dieser Musikrichtung aufgehalten habe. Aber der Satz zu Beginn dieses Beitrags ist auch nicht ganz richtig, genauer gesagt, er ist unvollständig, es fehlt nämlich ein entscheidendes Wort: „Früher“!

IMG_5488

Also noch einmal von vorn: Früher habe ich mich eigentlich nie besonders für „Country Music“ interessiert. Na bitte, das hört sich doch schon ganz anders an. Was so ein einzelnes Wort alles bewirken kann, in diesem Fall impliziert es, dass die Lage „heute“ im Gegensatz zu „früher“ eine ganz andere ist. Und so ist es auch! Aber wie konnte das passieren? Zumal bei jemanden, der musikalisch eigentlich in ganz anderen Gefilden unterwegs ist und war? Jemand, der, seitdem er  begonnen hat, sich einen selbständigen Musikgeschmack zu  bilden (also so ungefähr mit 12) die „Beatles“ verehrt und nach wie vor für das NonPlusUltra der Musik des 20. Jahrhunderts hält (und wahrscheinlich auch des 21., 23. und 24. …)? Jemand, der mit Pink Floyd, Rolling Stones, Genesis, Queen, Led Zeppelin, Metallica und vielen anderen Bands groß geworden ist, die heute noch seinen musikalischen Kanon bilden? Jemand, der seit vielen Jahren auch in Punk und Metal unterwegs ist, jemand, für den „London Calling“ von The Clash eines der besten Alben aller Zeiten darstellt. Wie kommt so jemand an – und hier zitiere ich mal Wikipedia:

„A genre of popular music that takes its roots from genres such as blues and old-time music, and various types of American folk music including Appalachian, Cajun, and the cowboy Western music styles of Red Dirt, New Mexico, Texas country, and Tejano. Its popularized roots originate in the Southern United States of the early 1920s. “

Nun, eigentlich kann ich den Zeitpunkt recht gut bestimmen, es muss Frühjahr 2017 gewesen sein, also rund 12 Monate vor unserem Kanada/USA Trip, als ich auf der Suche nach neuen Songs und neuer Musik auf der Website des „Musikexpress“ surfte. Und dann bei einer Meldung hängen blieb, dass der großartige Mick Jagger gemeinsam einen Song  („Drive of Shame“) performt mit Brad Paisley auf dessen neuem Album „Love and War“. Brad wer??

Also wie man sieht und hört, gibt es in diesem Beitrag nicht nur Lesestoff sondern auch was auf die Ohren. Jedenfalls war ich von diesem Song sofort gefangen genommen, er klang, dank Micks Stimme auf der einen Seite wie von den Stones und dann doch wieder ganz anders, dazu diese Gitarre…..also erstmal gegoogelt, um wen es sich denn da eigentlich handelt, der mit dem „Rolling Stone“ gemeinsame Sache macht.

Und siehe da, Mr. Paisley scheint einer der Superstars zu sein in einer Szene, die mir bis dato noch völlig unerschlossen war. Gleichwohl war meine Neugierde aufgrund des o.g. Songs nun geweckt und so „arbeitete“ ich mich in den kommenden Wochen durch eine für mich weitestgehend noch unbekannte musikalische Welt,  in der ich fortan auf so manche Aspiranten für meine „All Time Favorite Playlist“ stieß. Und dabei musste ich auch so manches Vorurteil über Bord werfen. War ich doch sicher nicht der einzige, der bei „Country Music“ bisher ausschließlich an Cowboys, jaulenden Steel-Guitars und kitschige Fernfahrer-Romantik à la Truck Stop dachte. Doch bald schon musste ich erkennen, dass das Universum der Country Music nicht nur eine rund 100jährige Geschichte aufweisen kann, sondern auch so viele unterschiedlichen Spielarten beheimatet wie man es beispielsweise aus dem Metal kennt. Als da wären u.a.: Blue Grass, Honky Tonk, Nashville Sound, Western Swing, Americana, Bakersfield Sound, Outlaw Country, Country-Rock, Neo-Country, Neotraditionalist Country (ist wohl was anderes als purer Neo-Country), Country-Pop….und …und …und! Nicht zu vergessen, der etwas rabiatere Bruder der Country Music, der „Southern Rock“, den ich bereits schon zuvor auf meinem musikalischen Radar hatte. Als Beispiel sei hier genannt die großartigen Lynyrd Skynyrd (und ja, es gibt von ihnen tatsächlich andere Songs als „Sweet Home Alabama“, wie zum Beispiel diese „extended“, über 10 Minute lange Version von „Free Bird“, fantastisch)

Kennt Ihr noch das Gefühl, wie Ihr als Kinder oder Jugendliche zum ersten Mal einen Song, ein Album, eine Musik gehört habt, die Euch fortan Euer ganzes Leben begleitet? Ich erinnere mich noch sehr gut an solche Momente: Das erste Mal „The Beatles“ auch bekannt als das „White Album“ von 1968, das ich Anfang der 80er auf der elterlichen „Musiktruhe“ hörte, nachdem ich die Doppel-LP stolz im „Elpi“ im Krefelder Schwanenmarkt (wer kennt den Laden noch?) für große Teile meines Taschengelds erstanden hatte. (Ich merke schon, darüber muss ich mal einen eigenen Beitrag schreiben, ich komme vom Thema ab, hier soll es schließlich um Nashville gehen.)

Also zurück zum Thema! Zurück zu Nashville. Zur der Zeit, als sich der Song „Drive of Shame“ von Brad Paisley feat. Mick Jagger in meinen Gehörgängen festgesetzt hatte, waren unsere Sabbatical Pläne für das kommende Jahr schon weit gediehen. Kanada und USA würden auf jeden Fall auf dem Plan stehen, nur die genaue Reiseroute stand noch nicht fest. Jetzt stand auf jeden Fall eine weitere Station im Raum: Nashville, Tennessee, die Music City im Süden der USA, denn mittlerweile hatte ich so viel -für mich- neue Musik gehört, dass ich unbedingt da hin wollte, wo große Teile von dem Zeug produziert werden. Zugegeben, ein bisschen Überzeugungsarbeit musste ich noch bei meiner Frau Betti leisten, teilt sie zwar größtenteils meinen Musikgeschmack, was zum Beispiel Metal und Alternative angeht, mit Country hatte sie bisher -ebenso wie ich- nicht so viel zu tun gehabt. Aber darum ging es ja auch in unserem Sabbatical: Neue Erfahrungen sammeln und Eindrücke gewinnen, die man bisher nicht hatte.

IMG_5694

Es war schnell klar, dass wir -wie eigentlich bei fast allen Stationen unserer Reise- uns ausreichend Zeit lassen wollten und so hielten wir Ausschau nach einer entsprechenden Wohnung und freuten uns sehr, ganz in der Nähe von Nashville Downtown fündig zu werden. Nun, es war sogar ein ganzes Haus, das unser Gastgeber James als „Retro Living East Nashville“ im Netz anpries und die Unterkunft erwies sich in der Tat als wahres Schmuckstück, wie die Fotos hier sicher auch zeigen:

Man muss sagen, für einen Aufenthalt in Nashville war diese liebevoll ausgestattete Wohnung fast schon zu schön. Denn wenn man in dieser Stadt ist, dann will man ja raus ins musikalische Nachtleben (dazu komme ich noch), andererseits fühlte man sich hier vom ersten Moment an wie zu Hause und wollte am liebsten direkt ganz da bleiben; dazu kam noch, dass James eine absolut erstklassige Sammlung von Filmen und Serien bereit hielt, mit denen man sich alleine gut ein paar Wochen beschäftigen könnte (insofern die ideale Bleibe für den nächsten Lockdown). Darunter auch die komplette Orignal Serie „The Twilight Zone“, 28 DVDs, 156 Folgen, der Hammer!!! Leider blieb nur für ein bis zwei Folgen Zeit, denn da draußen lockte ja „Music City“.

twilight

Und so flogen wir im Juli 2018 von Boston aus nach Nashville (ja, ich weiß, der ökologische Fußabdruck meiner ganzen Kanada/USA Reise wird mir auf ewig eine Schuld sein, die ich wohl kaum begleichen kann, auch wenn derzeit und b.a.w. meine Flugpläne gegen Null gehen.), bezogen unsere wunderbare Bleibe in East Nashville, bekamen von James noch Tipps, wie am besten mit dem Bus nach Downtown kommt und schon stand einer musikalischen Woche ganz im Banne der „Country Music“ nichts mehr im Wege.

IMG_5559

Nun hatten wir uns vorher gar keine konkreten Gedanken gemacht, auf welche Weise und wo wir in Nashville Musik hören und Band sehen werden. Konzerttickets hatten wir uns nicht besorgt, wir dachten eben, es wird bestimmt den ein oder anderen Club geben, in dem Livemusik gespielt wird. Den ein oder anderen Club? Nun, das war maßlos untertrieben, wie wir feststellen, als wir am Tag unserer Ankunft gegen 13:00 Uhr mittags (wir waren früh von Boston abgeflogen) durch Nashville/ Downtown schlenderten und dann auf den Broadway einbogen (nicht zu verwechseln mit dem berühmten New Yorker Namensvetter). Direkt, noch bevor wir um die Ecke bogen, sah ich durch ein Fenster einen Drummer, der sein Schlagzeug bearbeitete und meinte noch zu meiner Frau: „Ach schau mal, hier in dem Laden spielen sie schon mittags“, um dann, als wir vollends um die Ecke bogen, völlig geflasht zu werden. Denn dieser „eine Laden“ stellte sich als einer von mindestens 50(!) dar, die sich hier wie auf einer Perlenkette aufgereiht auf beiden Seiten des Broadways entlang streckten. Wir standen mitten auf der Straße und der Eindruck war einfach überwältigend, optisch wie auch akustisch. Aus jedem dieser Clubs war-wohlgemerkt zur Mittagszeit- Livemusik zu hören, die sich hier mitten auf dem Broadway zu einem einzigarten MusikGeräuschMischMasch zusammenfügte, wie man es vielleicht sonst nur von einem Kirmesbesuch kennt. Aber das hier war um ein Vielfaches lauter und gewaltiger.

IMG_5557

Im ersten Moment denkst Du nur: Und jetzt? Ich kam mir vor, wie vor einer riesigen Musicbox zu stehen, mit einer unendlichen Auswahl an Titeln, wo ich mich nicht entscheiden konnte, welchen Song ich denn auswählen sollte. Dazu muss man wissen, der Eintritt zu all diesen Musikclubs, die bereits jetzt um die Mittagszeit gut besucht waren, ist frei. Natürlich sollte/muss man ein Getränk bestellen und für die Band wird auch ein Tip (Trinkgeld) erwartet, aber im Prinzip kann man jeweils erstmal kurz in jeden Laden reinschauen und -hören, ob einem die Band und die Musik, die da gerade gespielt wird zusagt und man sich entscheidet, zu bleiben. Ansonsten zieht man einfach weiter. Ein kleiner Tipp für alle, die vorhaben, einmal nach Nashville zu fahren: Geht einfach rein in einen Club, macht es nicht wie bei Netflix, wo ihr erstmal 2 Stunden lang rumswitcht, bevor Ihr Euch für eine Serie entscheidet (wenn überhaupt), überlegt nicht lange, sondern setzt Euch einfach an die Bar oder ein Tisch, bestellt ein kühles Getränk und hört der Band zu. Denn wir haben die Erfahrung gemacht, egal in welchem Laden wir gelandet sind, die Bands bestehen aus erstklassigen Musikern, die Ton-Qualität ist 1a und es macht einfach Riesenspaß, Live-Musik so unmittelbar zu erleben. Nun ist Nashville natürlich auch eine absolute Touristenhochburg, aus den ganzen USA reisen die Leute an, um hier ein paar Tage auf dem Broadway zu verbringen. Trotzdem kann man sagen, dass hier keine Ballermann Atmosphäre aufkommt, die Besucher sind gekommen, um wirklich die Musik zu hören und die Bands zu feiern und das trägt natürlich auch dazu bei, dass man hier viele großartige Stunden im „District“ verbringen kann.

IMG_5614

Und es wurden wahrlich viele Stunden, direkt am ersten Tag unserer Ankunft, blieben wir von 13.00 Uhr bis weit in den Abend hinein auf dem „Broadway“. Bis zu zwei Stunden verbrachten wir in einem Club und lauschten der Band, bevor wir in eine andere Location wechselten. Nun muss man wissen, hier in Nashville im „District“ zu spielen, ist sicher der Traum vieler Musiker, und soweit ich das beurteilen konnte, fanden sich hier auch wirklich exzellente Künstler zusammen, die teils auch ihr Geld als Studiomusiker in einem der vielen an den „District“ grenzenden Studios verdienen und in den Music-Clubs immer wieder in ganz neuen Konstellationen als „unique“ Band eben für diesen Abend zusammenkommen. Aber die Bedingungen in dem meisten Clubs sind auch knochenhart: Keine Festgage, ausschließlich Tips vom geneigten Publikum, und in der Regel 3 Stunden Spieldauer mit nur minimalen Pausen. Jeder, der schon mal 80 EUR oder mehr für ein 75 Minuten Konzert seiner Lieblingsband hingelegt hat, weiß zu schätzen was die Musiker hier leisten, die sich ihr „Tip“ auch teils dadurch aufbessern, dass sie Songs spontan auf Zuruf des (zahlenden) Publikum spielen. So erinnere ich mich beispielsweise an eine dreiköpfige Band an einem der vielen Abende, die wir im „District“ verbrachten, die just an diesem Tag zum ersten Mal in dieser Zusammenstellung spielte. Jemand wünschte sich für 10 „Bucks“ (Dollar) „Turn the Page“ von Bob Seger, der Sänger entgegnete trocken: „Cool, I’ve never sung this song before“ und mit Blick auf seine Bandmitglieder, die an diesem Abend zum ersten Mal mit ihm spielten: „And they didn’t even play it with me.“ Sprachs, holte sein I-Phone raus und sang/spielte den Song vom Blatt (bzw. Display), als hätte er nie etwas anderes gesungen. Phänomenal!

Ich könnte jetzt hier noch ewig so weiterschwärmen über die Abende und vielen Stunden, die wir am „Broadway“ verbrachten, aber es war keineswegs so, dass wir uns in der Woche nur in Musik Clubs rumtrieben. Nashville hat noch so viel mehr zu bieten, schließlich ist es die Hauptstadt des Bundesstaats Tennessee und dementsprechend begegnet man hier amerikanischer Geschichte (und ich meine  nicht nur „Musikgeschichte“) auf Schritt und Tritt.  Was es sonst noch so in „Music City“ zu sehen gab, das erzähle ich wohl am besten in einem zweiten Teil, denn ich merke gerade, dieser Beitrag ist schon wieder recht lang geraten. Deshalb möchte ich erst einmal schließen, nicht ohne Euch noch was mit auf „die Ohren“ zu geben. Bei meiner Entdeckungsreise in das Land der Country Music bin ich besonders bei einem Künstler mit einer unverwechselbaren Stimme hängengeblieben: Chris Stapleton aus Kentucky, der mit 23 Jahren nach Nashville ging, um seine Karriere als Countrymusiker zu starten. Und welcher Titel würde hier im Blog und Abschluß dieses Beitrags besser passen als „Traveller“.

Wir lesen und hören uns!

Paßt auf Euch auf, wo immer Ihr seid!

Rüdiger

 

 

 

Ein Gedanke zu „Unterwegs in Music City – Eine Woche in Nashville / Tennessee (Part I)“

  1. a:hover { color: red; } a { text-decoration: none; color: #0088cc; }

    a.primaryactionlink:link, a.primaryactionlink:visited { background-color: #2585B2; color: #fff; } a.primaryactionlink:hover, a.primaryactionlink:active { background-color: #11729E !important; color: #fff !important; }

    /* @media only screen and (max-device-width: 480px) { .post { min-width: 700px !important; } } */ WordPress.com …was ist die logische nächste Konsequenz nach country music?Logisch- bayrische VOLKSTÜMLICHE Musik…GEZ. Stoiber — Diese Nachricht wurde v

    Like

Hinterlasse einen Kommentar