Immer wieder gibt es sie, diese Listen, man findet sie in Zeitungen, im Netz, als Ergebnis von irgendwelchen Meinungsumfragen oder basierend auf der Einzelmeinung eines Journalisten: „Die 10 (oder auch mehr) lebenswertesten Städte in der Welt“.
So fühlt sich beispielsweise die britische Institution „Economist Intelligence Unit’s (EIU)“ dazu berufen, jährliche eine Liste der 140 „Most livable cities in the world“ aufzustellen, anhand von Kriterien wie politische Stabilität, Gesundheitswesen, Kultur und Bildung sowie allgemeiner Infrastruktur. 2016 landete übrigens die Hauptstadt Syriens, Damaskus, auf dem letzten Platz. Nach den Ereignissen vom vergangenen Wochenende müsste dieses Jahr eigentlich Mannheim das Rennen als Schlußlicht machen. Aber das ist eine andere Geschichte und sei hier nur am Rande erwähnt für all meine blaurote Freunde da draußen. KFC forever!
Zurück zum Thema: Warum schreibe ich eigentlich das ganze Zeug über Listen und Rankings? Glaubt man Wikipedia (und wer tut das nicht?) stand Vancouver, die Metropole in British Columbia, von 2004 bis 2010 ununterbrochen an der Spitze der „Most livable Cities“, danach abgelöst von Melbourne, die seitdem den Dauerplatz an der Spitze innehalten. Über Melbourne kann ich (noch) nichts sagen, da Australien bisher nicht auf meiner Agenda stand (was ja nicht ist, kann ja noch….usw.), aber Vancouver stand jetzt als erste Station unserer Reise auf dem Plan (mal von den Flughäfen Amsterdam und Reykjavik abgesehen). Und da ist man schon gespannt, wie so eine Stadt denn aussieht, die seit über einem Jahrzehnt in der weltweiten Champions League mitspielt. Was Lebensqualität und Schönheit in Städten angeht, habe ich in Europa schon so einiges kennengelernt. Wien sei hier allererster Stelle genannt, meine absolute Herzensstadt. Aber auch in Deutschland gibt es sicher Städte, die den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchen: Hamburg, München und -ja auch- Berlin möchte ich dazu zählen. (Ja ich weiß, liebe Kölner, jetzt kriegt ihr einen Rappel, dass ich Euch nicht erwähnt habe, ich mag Euch auch…aber für die CL reicht es nicht ganz…) Und ganz nebenbei: Jedem, der noch nicht da war, empfehle ich ein Besuch in Trier, Deutschlands älteste Stadt und mittlerweile so etwas wie meine 2. Heimat.
Nun also Vancouver: Die ersten Eindrücke:
a) Ein wirklich schöner Flughafen, respektive schöne Ankunftshalle, mit vielen Details und lokalen Bezügen, wo man sich eigentlich viel mehr Zeit nehmen müsste, diese alle zu würdigen. Aber natürlich will man schnell zum Gepäckband und durch die Grenzkontrolle, um endlich in Kanada anzukommen.
b) Eine superschnelle und unkomplizierte Verbindung mittels „Skytrain“ vom Flughafen in die Innenstadt von Vancouver, das Ganze sogar zu höchst zivilen Preisen (zum Thema „Teures Kanada“ an anderer Stelle später mehr).
c) Eine äußerst ruhige Wohngegend, in dem wir unser Appartement für die nächsten 4 – 5 Tage beziehen, obwohl mitten in Vancouver gelegen, geht es hier mehr als beschaulich zu. Und -unfassbar für jemanden der seit mehr als 18 Jahren in der Krefelder Innenstadt wohnt- mehr als ausreichend Parkplätze direkt vor der Haustüre (sehr gut für uns, da wir ja einen Mietwagen gebucht hatten, den wir in den kommenden Tagen abholen wollten)
…und last but not least: Sehr entspannte und freundliche Autofahrer, die mehr als Rücksicht auf die Fußgänger nehmen, auch das etwas Neues für jemanden, der in Luxembourg City um sein Leben fürchten muss, wenn er einen Zebrastreifen betritt und sich gerade ein Auto mit französischem und belgischen Nummernschild nähert. (Nein, das ist kein Rassissmus, das ist Realität :-))
Am nächsten Morgen machten wir uns dann daran, einer der „Most livable Cities in the world“ zu Fuß zu erkunden. Es wurde eine mehr als 20km lange Wanderung durch weiterhin beschauliche Vorstädte, bis sich dann das Bild abrupt änderte und wir die Skyline von VC erblickten. Vorbei ging es dann an der „Science World“ am False Creek gelegen immer weiter bis zum Wasser entlang der Waterfront Road bis hin zum Stanley Park. Immer wieder atemberaubende Blicke auf die Berglandschaft von Britisch Columbia jenseits des „Burrad Inlet“, immer das faszinierende und pulsierende VC Downtown im Rücken. Ja, hier bekommt man schnell eine Ahnung davon, warum VS seit vielen Jahren in der Spitzengruppe steht. Es ist diese einzigartige Mischung aus Metropole und Nähe zu einer riesigen Wildnis und Natur (British Columbia allein ist ungefähr 2 1/2 mal so groß wie Deutschland), die VC so besonders macht.
Und während wir noch in Deutschland lang und breit darüber diskutieren, ob und wie multikulturelles Leben in einer westlichen Zivilisation möglich ist, wird dies in VC längst gelebt. 47% der Bevölkerung von VC stammt nicht aus Kanada, sondern vielfach aus Asien. Eine Quote, die bei jeder AFD-Dumpfbacke zu sofortiger Schnappatmung mit anschließendem Herzstillstand führen würde. Vielleicht sollten Gauland, von Storch und Konsorten mal nach VC reisen. (Auch dazu später mehr, langsam muss ich mir mal eine Liste von Themen für die nächsten Blogs machen, was hatten wir bereits: Craft Beer, Preise in Kanada…).
So, für heute möchte ich zum Schluß kommen, Ihr habt sicherlich auch noch anderes zu tun als meinen Blog zu lesen -). Nur eines noch: Auch wenn VC sich dem Reisenden wirklich auf dem ersten Blick als äußerst lebenswerte Stadt darstellt, sei hier nicht verschwiegen, dass auch eine solche Stadt ihre anderen Seiten hat. Überraschenderweise für uns findet man die nicht irgendwo in den Randbezirken, sondern mittendrin auf der E. Hastings Street. Wir fuhren mit dem Bus am 2. Tag von unserer Wohnung Richtung Downtown und stiegen an der Haltestelle „Mainstreet“ aus (das klingt ja nach „mittendrin“) und wir befanden uns dann tatsächlich „mittendrin“ in einer der größten Drogenslums des nordamerikanischen Kontinents, ein erschütternder Kontrast zum Postkarten-Vancouver. Hier konnte/musste man praktisch über die Menschen drübersteigen, die -oft apathisch und zugedröhnt- überall auf dem Bürgersteig lagen. Ein Bild, das ich bisher so nicht kannte aus europäischen Städten, zumindest nicht in deren Mitte, in unmittelbarer Nähe zu den Touristen-Magneten. Hier scheint es ein Teil der Normalität Vancouvers zu sein, denn nur eine Strassenecke weiter befindest du Dich plötzlich in Gastown, einem der ältesten und schönsten Stadtteile Vancouvers, bewunderst die „Dampfuhr“ und das so eben Gesehene kommt dir als Spuk vor. Ich habe bewußt und aus Respekt darauf verzichtet, die Menschen auf der E. Hastings Street zu fotografieren bzw. hier im Bild zu veröffentlichen. Aber sie gehören zu VC dazu, auch wenn für sie „most livable“ wahrscheinlich wie ein Ausdruck aus einer fremden Sprache klingt.
Im Bild übrigens: Die Dampfuhr, das Wahrzeichen von Gastown, VC.
Wir lesen uns……