Hallo liebe Netzgemeinde, heute melden wir uns noch einmal kurz aus British Columbia, genauer gesagt aus Vancouver, von wo es heute Abend mit dem Zug („The Canadian“) quer durch Kanada Richtung Toronto geht. In 4 Nächten und 3 Tagen ununterbrochener Zugfahrt werden wir dann die wahre Größe des Landes mit dem Ahornblatt in der Flagge kennenlernen. Ein großer Kontrast zu dem, wie wir die vergangenen vier Wochen verbracht haben. Diese wunderbare Zeit an der sogenannten „Sunshine Coast“ war sozusagen „Kanada en miniature“.(*)
(*)Anmerkung: Dieser Blogbeitrag wurde am 26. Juni 2018 verfassst. Da ich ihn allerdings vor meiner Zugfahrt nicht online gestellt hatte, kommt die Veröffentlichung nun etwas später direkt aus Toronto. Während der Zugfahrt waren wir nämlich tatsächlich 5 Tage lang offline, kein W-Lan, kein Netz. Auch mal ganz schön! So blieb uns beispielsweise erspart, das Spiel gegen Südkorea zu sehen… Wieso 5 Tage?? Nun, es gab gewisse Verspätungen, darüber mehr in meinem nächsten Blogbeitrag.
Aber nun zurück zum Thema: Nun, was eigentlich genau ist die „Sunshine Coast“ und wo befindet sie sich?
Die offizielle Bezeichnung für diese Region lautet „Sunshine Coast Regional District“. Hierbei handelt es sich um einen Bezirk der kanadischen Provinz British Columbia (BC). Die Region ist nördlich von Vancouver gelegen und -obwohl keine Insel- nicht auf normalen Autostraßen zu erreichen sondern ausschließlich über Fähren oder per Wasserflugzeug. Das verleiht der Gegend trotz der Nähe zu Millionenmetropole Vancouver einen Hauch von Abgeschiedenheit und macht sie attraktiv für Reisende, die genau diese Atmosphäre und Naturnähe suchen. Im Verhältnis zum Rest der riesigen Provinz BC ist die Sunshine Coast vergleichsweise winzig, wie das nachfolgende Bild zeigt:
Der „Sunshine Coast Regional District“ in Zahlen: Auf rund 3.773. km² leben gerade mal rund 30.000 Menschen. Zum Vergleich: Luxembourg ist mit rund 2.586 km² zwar um einiges kleiner, hat dafür aber das 20fache an Einwohnern. Wer jemals in Luxembourg „übers Land“ gefahren ist, wird festgestellt haben, dass hier trotzdem nicht gerade eine Überbevölkerung herrscht. Um so mehr kann man sich vorstellen, wie „menschenleer“ und voll unberührter Natur die Sunshine Coast sein muss, kommt man doch hier gerade mal auf 8 Einwohner pro km².
Nun ist es ja nicht so, dass an der „Sunshine Coast“ überhaupt nicht los wäre. Das ein oder andere Städtchen gibt es hier schon zu entdecken. Sechelt, beispielsweise, rund 35 km von der der Fähre weiter nordwärts gelegen, ist mit rund 10.000 Einwohnern die größte Stadt an der Coast und so etwas wie die „Metropole“ an diesem hübschen Flecken Erde. Sechelt diente auch uns als Heimat in den vergangenen vier Wochen, konnte man doch von hier aus prima den Rest der Region erkunden (ein Auto vorausgesetzt) oder man blieb einfach mal daheim und genoß den prächtigen Ausblick auf den „Sechelt Inlet“, gerade beim Frühstück eine feine Sache.
Begibt man sich weiter nordwärts von Sechelt, gelangt man nach rund 30 min Fahrt nach „Pender Harbor“, einem weitverzweigten Küstengebiet mit vielen Buchten und vorgelagerten Inseln, das sich wunderbar vom Wasser als auch von Land aus erkunden lässt. Viele Tierarten, wie z.B. den Weißkopfseeadler, kann man hier oft beobachten. Wer also Pender Harbor umfassend entdecken möchte, sollte daher ruhig öfters einen Tagesausflug dorthin einplanen, sei es für eine Bootstour mit der „Slowcat“ (und einer sehr kundigen Boots-Führerin, die allerhand Wissenswertes über die Bucht zu berichten weiß) oder für einen knackigen und etwas schweißtreibenden Aufstieg auf den „Mount Daniel“ oder den „Pender Hill“, wo man dann aber mit traumhaften Ausblicken auf die gesamte Umgebung von „Pender Harbor“ belohnt wird.
Noch weiter nach Norden wird es dann immer einsamer und menschenleerer, bis man nach „Egmont“ gelangt, ein kleines Fischerdorf an der Nordspitze der „Sechelt Pensinsula“. Idyllisch und wirklich nicht überlaufen.
„Egmont“ dient vielen Reisenden als Ausgangspunkt für eine besondere Wanderung. Denn von hier aus geht es in rund einer Stunde über einen schönen Waldweg zu den „Skookumchuck Narrows“. Dieses fast unausprechliche Wort (ich habe es jedenfalls nie richtig hinbekommen) stammt aus der Sprache der hier ansässigen Ureinwohner, der „First Nation People“ und setzt sich zusammen aus skookum = stark, kräftig, wild und chuck = Wasser. Die sinngemäße Übersetzung wäre also in etwa „Wildwasser“. Und das ist wirklich eine passenden Bezeichnung, denn die „Skookumchuck Narrows“ sind die einzige Verbindung zwischen dem Sechelt Inlet mit seinen beiden Seitenfjorden Salmon Inlet und Narrow Inlet sowie dem pazifischen Ozean. Daher ensteht an dieser Stelle aufgrund der Gezeiten, Ebbe und Flut regelmäßig ein Austausch von gewaltigen Wassermassen (bis zum 750 Millionen Kubikmeter), der damit den „Skookumchuck“ nach dem „Saltstraumen“ in Norwegen zur schnellsten Geizeitenstromschnelle der Welt macht.
Um den besten Ausblick auf diese grandiosen Naturschauspiel zu haben, begibt man sich von Egmont aus entlang des „Brown Lake“ auf den Weg durch ein prächtig grün-schillerndes Waldgebiet bis hin zum „Roland View“, von wo man aus dann wagemutigen Kajakfahren inmitten der Stromschnellen „bei der Arbeit zuschauen“ kann.
Zur Nachahmung nur bedingt empfohlen :-). Die Leute, die sich hier ins Wasser begeben, kommen teils von weit her zur „Sunshine Coast“ und sind echte Könner in ihrem Fach.
Wer die „Sunshine Coast“ noch weiter nördlich von Egmont erkunden möchte, der muss dann wieder die Fähre nehmen (ab Earl’s Cove), dann geht es weiter u.a. nach Powell River und Lund (worüber ich ja schon in meinen früheren Blogbeiträgen geschreiben habe.
https://sabbatkr.wordpress.com/2018/06/19/lund-anfang-oder-ende/
https://sabbatkr.wordpress.com/2018/06/16/105-jahre-kinogeschichte/
Auch hier finden sich immer wieder herrlich einsame Stellen, wo man einfach mal für sich eine ganze Zeit die Aussicht aufs Meer genießen kann.
Zurück nach Sechelt, denn hier gibt es noch so einiges zu entdecken: Zum Beispiel den „Botanischen Garten“. Nicht von der öffentlichen Hand, sondern von einer privaten „Community“ erstellt und gepflegt, findet man hier keine akkurat gesetzten Blumenbeete sondern noch viel ursprüngliche und eher wilde Natur sowie reichlich Platz. Selbst Bären sind hier keine Seltenheit! (Bei unserem Besuch ließ sich aber keiner blicken.)
Bienen sind hier genauso zu Hause wie so manch anderer Vertreter der heimischen Tierwelt.
Nicht weit entfernt vom „Botanischen Garten“ befindet sich dann die „Bricker Cider Company“. Hier wird ein erstklassiger Cider gebraut, die erforderlichen Rohstoffe werden dafür teils direkt auf dem eigenen Farmgelände angebaut. Und in einer netten kleinen Probierstube kann der Besucher von den Produkten kosten, bevor er dann die ein oder andere Flasche mit nach Hause nimmt.
Die „Bricker Cider Company“ ist -wie viele andere lokale Unternehmen auch- auf dem wöchentlich stattfindenden „Sechelt Farmers‘ & Artisans‘ Market“ vertreten. Hier lohnt sich am Samstag Mittag auf jeden Fall ein Besuch, denn köstliche Produkte aus einheimischen und biologischen Anbau können hier ebenso erstanden werden wie Kunsthandwerk aus der Region. Und für die ganz Hungrigen gibt es auch den ein oder anderen Snack direkt vor Ort. Empfehlen kann ich das Linsengemüse mit Kurkuma – köstlich!
Nach so vielen kulinarischen Genüssen ist es natürlich wichtig, sich mal wieder zu bewegen. Zum Beispiel: Wandern! Denn dafür ist die „Sunshine Coast“ wirklich bestens geeignet. Ein riesiges Netz an „Hiking Trails“ durchzieht das Gebiet, das sich selbst in 4 Wochen auch nicht nur annähernd durchwandern läßt. Dazu kommt der noch rund 180 km lange Fernwanderweg „Sunshine Coast Trail“, der nördlich von Lund beginnt und in den Süden bis nach Gibsons runter führt. Ich hatte meiner Begeisterung ja schon Ausdruck verliehen in meinem Blogbeitrag:
https://sabbatkr.wordpress.com/2018/06/11/wanderlust-ii-jetzt-auch-in-kanada/
Auch unsere letzten Tage an der „Sunshine Coast“ waren geprägt von wunderbaren Wanderungen, auf denen wir über Stunden keine anderen Menschen trafen, dafür gab es die ein oder andere unvermutete Begegnung mit sonstigen „Bewohnern“:
Was einem auffällt beim Wandern, ist die Unzahl an Warnhinweisen. Alles geschieht hier „auf eigene Gefahr“. Man merkt, dass man sich auf dem nordamerikanischen Kontinent befindet und ähnlich wie in den USA fürchtet man in Kanada wohl nichts so sehr wie kostspielige Prozesse mit millionenschweren Schadensersatzforderungen. Daher schließt man alle Haftung möglichst von vorneherein aus und verweist schon mal darauf, dass Wandern tendenziell „tödlich“ sein könnte. Ja, wenn man hier so den Schilderwald sieht, könnte man schnell auf den Gedanken kommen, dass Wandern in Kanada eine echte Extremsportart ist. Bis auf den ein oder anderen Kratzer an wilden Brombeersträuchern haben wir hier aber alles gut überstanden, wir werden daher von einer Klage gegen den kanadischen Staat absehen 🙂
Wir sind sehr glücklich, dass wir die „Sunshine Coast“ für uns entdeckt haben. Wenn man sich entschließt, für gut 1 1/2 Monate nach Kanada zu gehen, wird man es trotz dieses doch sehr umfangreichen Zeitkontingents kaum schaffen, dieses große Land auch nur annähernd in all seinen Facetten zu erfassen. Daher war die Wahl und Konzentration auf ein relativ überschaubares Gebiet (ok, auch 3.773. km² sind nicht wirklich überschaubar :-)) genau das Richtige. Hier haben wir vieles gefunden, was das Land Kanada ausmacht: Unberührte Natur, prächtige Ausblicke auf Seen und Ozeane, wildwuchernde Urwälder, Begegnungen mit „Wildlife“, die Kultur der „First Nations People“, Jazz- und Blues-Festivals und nicht zu vergessen: viele Begegnungen mit Kanadiern, die sich als ein ausgesprochen freundliches, offenes und interessiertes Volk für uns darstellten. Hier möchten wir an erster Stelle Monika und Richard nennen, die sich am „Sechelt Inlet“ ein kleines Paradies geschaffen haben und denen wir zu verdanken haben, dass wir 4 Wochen an diesem wunderbaren Ort verbringen konnten.
So, ich hoffe, ich habe Euch ein wenig neugierig gemacht! Noch ist die „Sunshine Coast“ ein Geheimtipp und selbst vielen Kanadiern nicht bekannt, die es dann eher zum größeren „Vancouver Island“ zieht. Wenn Ihr mal über eine Reise nach Kanada nachdenken solltet, vielleicht lest Ihr dann vorher nochmal diesen Blogbeitrag. Es lohnt sich, versprochen! Denn hier befindet man sich wirklich auf der „Sonnenseite des Lebens“!
Das war es für heute von mir. Nun geht es zurück nach Vancouver und von dort auf große Zugreise durch das ganze Land nach Toronto. Über 4.500 km Schienen liegen vor uns! Was wir da so alles erlebt haben, gibt’s dann in meinem nächsten Blogbeitrag!
Wir lesen uns…..